Blog 'Vom Leben'
Samstag vorm ersten Advent: Wie mich ein Buch mit einem anderen Menschen verbindet... (28.01.2015)
Erst vor wenigen Wochen habe ich den spirituellen Autor Henri Nouwen entdeckt. In Einstimmung auf die Weihnachtszeit und um den Advent zu bereichern, bestellte ich mir bei Amazon das Buch „Weihnachten mit Henri Nouwen“. Ich bevorzuge stets gebrauchte Bücher, so auch diesmal. Meine Entscheidung fiel auf ein Exemplar, das laut Verkäuferangabe in einem sehr guten Zustand sein sollte.
Heute nun kam es an. Ich packte es in meinen Rucksack und freute mich darauf, es nach dem Einkaufen bei einem Espresso in einer Bäckerei auszupacken und anzulesen. Die Verkäuferin sah mir meine Vorfreude wohl an und wünschte mir freundlich, dass ich das Getränk genießen möge. „Das werde ich tun!“ - ich zog mich in meine Lieblingsecke zurück und packte das Buch aus.
Ein gut erhaltenes Buch, der Verkäufer hatte nicht zuviel versprochen. Aber was war das? Da klebte doch ein Adressaufkleber des Vorbesitzers darin! Erst hielt ich es für einen Mangel und versuchte, den Aufkleber zu entfernen. Meine Gedanken schwankten zwischen: „Hmmm, von wegen sehr guter Zustand...“ und „...hab dich nicht so pingelig“.
Der Aufkleber saß fest. Mir fiel dabei auf, wie sauber und symmetrisch er eingeklebt war. Ich erkannte die Vergeblichkeit des Ablöseversuchs und las lieber schon mal ein wenig im Buch, in Vorfreude auf die Adventszeit, die morgen beginnt.
Als ich nach hinten zu den Quellenangaben wechselte, entdeckte ich auf der letzten Seite, ebenso sauber, symmetrisch und festsitzend, einen weiteren Aufkleber. Ich musste lächeln, weil es wie ein Zeichen des Vorbesitzer war; ein Augenzwinkern, dass mein Bemühen sowieso vergeblich sein würde.
Plötzlich legte sich ein Schalter in meinem Kopf um. Oder eher in meinem Herzen. WER war der Vorbesitzer? Warum hatte er das Buch an ein Antiquariat zum Verkauf abgegeben? Es musste ein ordentlicher und gründlicher Mensch sein. Ein Mensch, der gern liest, dem Bücher wertvoll sind und der sorgsam mit ihnen umgeht. Ein Mensch, der gern ein Buch verborgt, aber es auch gern wieder zurückbekommt. Vor allem aber ein Mensch, der auf einer Wellenlänge mit mir liegt, da ich seine Interessen teile. Der vielleicht im letzen Jahr noch in der Adventszeit in diesem Buch gelesen hat.
Ich googelte ein wenig nach den Angaben auf dem Adreßaufkleber und fand den Vorbesitzer: einen katholischen Ordensbruder der Pallottiner. Mich ergriff die Rührung, als ich sein Foto und die Todesanzeige vom August diesen Jahres sah. Ist es nicht das, was das Leben ausmacht? Die unsichtbaren Verbindungen zwischen uns Menschen?
Dank an Sie, den verstorbenen Pater aus dem Orden der Pallottiner, für das Buch. Dass ich es von Ihnen übernommen habe und es die Erinnerung an Sie trägt, steigert für mich seinen Wert! Wenn ich es in der Hand halte, spüre ich, dass Sie sich darin vertieft und sich, genau wie ich, auf den tieferen Sinn der Advents- und Weihnachtszeit konzentriert haben. Es ist wie beim Betreten einer Kirche, man fühlt die spirituelle Energie der Menschen, die vor einem da waren.
Ich werde beim Lesen an Sie denken!
Eine Kommentarfunktion gibt es hier nicht, aber schreib mir gerne eine E-Mail, wenn Du Dich zu diesem Thema mit mir austauschen möchtest.